Gedanken zum Osterfest

  ● Wenn wir uns einmal des Ursprungs des Osterfestes besinnen, dann finden wir uns etwa ins Jahr 1450 vor Christus zurückversetzt. Sechs von Gott gesandte Plagen haben Ägypten heimgesucht und doch ist der Pharao nicht bereit, das auserwählte Volk des Alten Bundes, das Volk Gottes, aus der Knechtschaft ziehen zu lassen. Da droht Gott mit dem letzten und entscheidenden Schlag. Nach Seinen eigenen Worten wird der Pharao die Israeliten danach nicht nur ziehen lassen, sondern sogar gewaltsam forttreiben. Und so spricht der Herr: “Um Mitternacht werde ich durch Ägypten gehen. Dann soll jeder Erstgeborene in Ägypten sterben”. Damit aber die geknechteten Israeliten nicht dasselbe Los erleiden wie ihre Herrscher, die Ägypter, ordnet Gott ein bestimmtes Ritual an, das die Israeliten beschützen soll. Er befiehlt den Israeliten, am zehnten des Monats sich ein Lamm zu beschaffen, ein Lamm je Familie oder Haus. Es muss ein fehlerloses, männliches, einjähriges Lamm sein. Am vierzehnten des Monats sollen alle Familien ihr Lamm gegen Abend schlachten. Von dem Blut aber sollen sie nehmen und an die beiden Türpfosten und an die Oberschwelle der Häuser streichen, in denen man es verzehrt. Wo Gott dieses Blut an den Türpfosten sieht, dort wird Er schonend vorüberziehen. Kein Verderben soll die Israeliten in diesen Häusern treffen, wenn Gott Seinen Schlag gegen Ägypten führt.
Dieser Tag soll ein Gedenktag sein bei den Israeliten. Jährlich sollen sie dasselbe Ritual wiederholen. “Beobachtet dies als Gesetz, das für euch und eure Kinder auf ewige Zeiten gilt! Auch wenn ihr in das Land kommt, das euch der Herr, wie Er verheißen, geben wird, sollt ihr diesen Brauch pflegen.” Und wenn dann die Kinder der Israeliten nach der Bedeutung dieses Festes fragen, so soll man ihnen zur Antwort geben: “Das ist das Paschaopfer für den Herrn, der in Ägypten an den Häusern der Israeliten vorüberging, als er die Ägypter schlug, unsere Häuser aber verschonte”.
So beobachtete Israel durch die Jahre hindurch dem Gebote Gottes gemäß das Paschafest. Auch nachdem sie in das Land eingezogen waren, das Gott ihnen verheißen hatte, feierten sie es Jahr für Jahr. Und so kommt es, dass auch Jesus im 33. Jahr nach Seiner Geburt mit Seinen Jüngern das Pascha feiert. Dieses Fest, an dem das Osterlamm geschlachtet wird, hat Jesus erwählt, um für die Menschen zu sterben. Denn Er wird das neue Osterlamm sein, das zur Schlachtbank geführt wird. Er wird das eigentliche Osterlamm sein, das das neue Auserwählte Volk nicht aus der Knechtschaft Ägyptens, sondern aus der Knechtschaft der Sünde befreien wird. Er ist der, auf den das alttestamentarische Osterlamm schon immer hingewiesen hat. Für den es Israel vorbereiten sollte und in dem es seine Erfüllung findet. Daher singen wir in der Präfation von Ostern: “Es ist in Wahrheit würdig und recht, billig und heilsam, Dich, Herr, vornehmlich an diesem Tage mit besonders festlichem Jubel zu preisen, weil Christus als unser Osterlamm geopfert ist. Denn Er ist in Wahrheit das Lamm, das hinwegnimmt die Sünden der Welt.” Und noch heute erinnert sich die Kirche in der Osternacht im Exsultet, dass heute eigentlich der Tag ist, an dem Gott Israel befreit hat: “Dies ist die Nacht, da Du einstens unsere Väter, die Söhne Israels, herausgeführt aus Ägypten und durch die Fluten des Roten Meeres trockenen Fußes geleitet.”
So ist die Befreiung Israels aus Ägypten ein sinnlich sichtbares Vorbild für die sich unsichtbar vollziehende Befreiung der Seele aus der Gefangenschaft der Sünde. Als solches wurde sie in der Hl. Schrift auch immer wieder benutzt, um den Christen, besonders natürlich den Judenchristen, vor Augen zu führen, was die Befreiung aus der Sünde eigentlich bedeutet. Und auch uns erinnert die Kirche in den immer wiederkehrenden Bildern des Exsultet daran, dass diese Nacht die Nacht ist, da wir erlöst wurden von unserer Schuld:
“Dies ist die Nacht, die scheidet heute alle auf Erden, die glauben an Christus, von den Lastern der Welt und den Finsternissen der Sünde, führt sie der Gnade zurück und gibt ihnen Teil mit den Heiligen.”
“O unbegreifliche Huld Deiner Liebe: um loszukaufen den Knecht, hast Du hingegeben den Sohn!”
“Geheiligt ist diese Nacht, zu bannen die Frevel, abzuwaschen die Schuld, den Sündern wiederzubringen die Unschuld, den Trauernden Freude; weit vertreibt sie den Hass, sie einet die Herzen und beugt die Gewalten.”
Endlich ist der Schuldbrief zerrissen, den das Menschengeschlecht in Adam auf sich geladen hat, der seither nicht zurückgezahlt war und nicht zurückgezahlt werden konnte. Allein Christus, der Gottmensch, konnte durch die Übergüte Seines Erlösungsaktes diesen Schuldbrief einlösen:
„Eingelöst hat Er an unserer Statt dem ewigen Vater die Schuld des Adam, ausgelöscht den Schuldbrief der alten Sünde mit Seinem Blut, das Er vergossen aus Liebe“ (Exsultet).
Wie schon gesagt, hat Jesus für Seinen Tod genau den Tag gewählt, an dem in Jerusalem die Osterlämmer geschlachtet wurden. Das war möglich, weil es für Juden, die von weither zum Osterfest nach Jerusalem kamen, die Ausnahmeregelung gab, dass sie schon am Tag vor dem 14. Nisan das Osterlamm essen durften. So kam es, dass Jesus am Donnerstag mit Seinen Jüngern das Osterlamm aß und dann am Freitag starb, als zur “regulären” Zeit in Jerusalem die Osterlämmer geschlachtet wurden.
● Am Ostersonntag feiern wir dann die Auferstehung Jesu. Beides, Tod und Auferstehung, gehören zusammen. Die Auferstehung ist sozusagen der Höhepunkt des Erlösungswerkes Christi. Durch die Auferstehung hat Er gezeigt, dass der Tod keine Macht über Ihn hat, dass Er, wenn es nach Außen hin auch anders aussah, nicht wirklich von Seinen Feinden vernichtet werden konnte. Er zeigt uns, dass Sein Tod eigentlich ein Sieg war, und dass der Sieg über die Sünde auch Sieg über den leiblichen Tod bedeutet, weil wir zwar dem Leibe nach noch sterben müssen, der Tod aber für den aus der Sünde befreiten Menschen seinen Stachel eigentlich verloren hat.
Wie eng Tod und Auferstehung miteinander verbunden sind, und dass das eine nicht vom andern getrennt werden kann, zeigt gerade auch die Liturgie der Osternacht. So singen wir in der Ostervigil, in der Nacht, die Jesu Auferstehung vorausgeht, mit dem Priester im Exsultet:
“Heute ist die Feier der Ostern, da jenes wahre Lamm ist geschlachtet, dessen Blut die Türen der Gläubigen heiligt”.“Dies ist die Nacht, da Christus zerbrach die Bande des Todes und aus der Tiefe emporstieg als Sieger.”
Und als Sieger hat Er auch uns herausgeführt aus der Sklaverei der Sünde. Daher ist auch die Osterliturgie geprägt vom Licht, das in der Finsternis aufgeht und diese Finsternis erhellt. Das Osterfeuer wird in der Dunkelheit entzündet. Der Priester schreitet mit der Osterkerze, die an dem Osterfeuer entzündet wurde, in die dunkle Kirche, die sich allmählich erhellt, wenn erst die Ministranten und dann die Gläubigen ihre Kerzen am Licht der Osterkerze entzünden. Und dabei hebt der Priester dieses Licht dreimal empor und singt feierlich “Lumen Christi” - “Licht Christi”.
Auch diese Zeremonie erinnert uns an den Auszug der Israeliten aus Ägypten. Gleicht doch die Osterkerze, die der Priester vor uns herträgt, der Feuersäule, die die Israeliten auf ihrem Zug durch die Wüste gelenkt und geschützt hat. Daher singt der Priester wieder im Exsultet:
“Dies also ist die Nacht, da jene Feuersäule besiegte das Dunkel der Sünde.”
Der Gedanke der Erlösung ist eigentlich der Grund unserer Osterfreude. Gott hat uns erschaffen, um uns teilnehmen zu lassen an Seinem göttlichen Leben. Dafür ist unser Herz letztendlich geschaffen. Und danach wird es sich immer sehnen und es wird, wie der hl. Augustinus sagt, unruhig sein, bis es ruht in Gott. Daher auch unsere Freude über unsere Erlösung, weil Christus uns diese Anteilnahme am göttlichen Leben wieder eröffnet hat. Aber wie wir wissen, ist das kein Automatismus. Gott bietet uns an, in Christi Blut einen Neuen und Ewigen Bund mit Ihm zu schließen, aber wir müssen von unserer Seite her diesen Bund wollen und bejahen. Und dieser Wille drückt sich darin aus, dass wir uns ganz in diesen Bund hineingeben, uns ganz Gott hingeben, unser ganzes Herz Gott schenken. Nur wenn wir das tun, werden wir auch gewahr werden, dass Gott nicht ein Gott des Todes, sondern ein Gott des Lebens ist. Im Hebräerbrief heißt es an einer Stelle: “Noch habt ihr im Kampf gegen die Sünde nicht bis aufs Blut widerstanden” (Hebr. 12,4). Dazu müssen wir bereit sein! Dass wir im Kampf in der Treue zu Gott und gegen die Sünde aufs Ganze gehen, sozusagen bis aufs Blut widerstehen. Bitten wir also Christus, der durch den Tod und das Kreuz hindurchgegangen ist, dass Er auch uns die Kraft schenke, durch den Tod Ihm zu folgen, damit wir mit Ihm auch auferstehen und am neuen Leben teilhaben. Und auferstehen nicht erst nach unserem leiblichen Tod, sondern schon jetzt. Dadurch, dass das göttliche Leben schon jetzt in uns Wirklichkeit wird und wir dann durch unser Leben vor den Menschen Zeugnis geben können vom Sieg des Lichtes über das Dunkel.
● Im Exsultet betet der Priester an einer anderen Stelle: “Und Er, der mich berufen in die Schar der Leviten, ohne eigen Verdienst, nur erwählet aus Gnaden, lichtvoll mache Er mich im Scheine Seines Lichtes.”
Damit kommen wir zur Frucht der Erlösung Christi. Wenn wir uns Gott hingegeben haben, Gottes Willen zu unserem Willen gemacht haben, dann dürfen wir auch an Seinem göttlichen Leben Anteil haben - “lass uns durch das Geheimnis dieses Wassers und Weines teilnehmen an der Gottheit Dessen, der Sich herabgelassen hat, unsere Menschennatur anzunehmen”, betet die Kirche in der hl. Messe zur Opferung.
Wir dürfen und sollen „lichtvoll“ werden. Aber nicht aus uns heraus, sondern “im Scheine Seines Lichtes”, d.h. wir sollen Gott durch uns scheinen lassen. Das lehrt uns die Kirche, wie so oft, nicht nur mit Worten, sondern auch durch ihre Zeremonien. Wir haben oben schon erwähnt, dass das Feuer der Osterkerze an die Ministranten und Gläubigen weitergegeben wird. Wenn wir also das Osterfeuer in unsern Händen halten, tun wir äußerlich in der Zeremonie, was wir innerlich in der Realität tun sollen - geistig leuchten. Aber das Licht, das in unseren Händen leuchtet, ist nicht unser Licht, sondern das “Lumen Christi”, das “Licht Christi”, welches uns in Seinem Erlösungswerk geschenkt wird. Dieses Licht Christi bleibt unerschöpfliche Quelle unseres Lichtes. Und so wie das Licht der Osterkerze nicht abnimmt, obwohl wir von ihrer Flamme nehmen, so nimmt auch das Licht Christi nicht ab, weil es genährt wird von Seiner Gottheit. Darauf nimmt die Kirche wieder im Exsultet Bezug und betet: “Und ob auch die Flamme sich teilet, weiter spendet ihr Licht in die Runde, nicht wird gemindert die Kraft ihres Glanzes. Denn genährt wird sie vom schmelzenden Wachs, das zum Schaft dieser kostbaren Säule herbeigetragen die Biene.”
Wenn wir das göttliche Licht durch uns scheinen lassen, wenn wir Gott durch uns wirken lassen, dann können wir auch unseren Mitmenschen vermitteln, was schönes Gott für uns bereit hält, und was uns unser Glaube eröffnet: Teilhabe am göttlichen Leben. Das ist ja auch gemeint, wenn es heißt, wir sollen Christus immer ähnlicher werden. Das ist etwas, was wir im praktischen Leben immer wieder versuchen können: zu werden wie Christus. Und je mehr wir uns diesem Ideal nähern, desto mehr werden auch für uns die Worte eines englischen Gedichtes wahr: “Habe ich Gott auch nicht gesehen, so sind es doch Menschen wie du, die Ihn so wirklich werden lassen.”
Wenn wir also in der Osternacht unsere Kerzen, entzündet am Lichte Christi, in Händen halten, so denken wir daran, dass wir uns auch geistig von Ihm entzünden lassen sollen. Dass es unsere Mission hier auf Erden ist, “lichtvoll zu werden im Scheine Seines Lichtes”. Dazu gehört großer Mut, große Selbstlosigkeit und eine entschiedene Hingabe an Gott. Auf der anderen Seite sind wir dann aber auch nicht mehr auf unsere eigenen menschlichen Kräfte allein angewiesen, deren Begrenztheit wir ja immer wieder erfahren, sondern wir können Gottes Kraft und Gottes Licht durch unsere schwache Hülle wirken lassen.

P. Johannes Heyne


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